Zeitpunkt 2 Regierungsbildung Große Koalition (GroKo, Kabinett Merkel IV) im Frühjahr 2018

Der Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zwischen der CDU, der CSU und der SPD, der nach der Bundestagswahl 2017 ausgehandelt und am 7. Februar 2018 geschlossen wurde, trägt den Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“.

Koalitionsvertrag 2017 mit SPD und CDU/CSU

Quelle: Abgerufen von Wikipedia am 09.07.2021 https://de.wikipedia.org/wiki/Koalitionsvertrag_der_19._Wahlperiode_des_Bundestages

Aus Sicht der Demokratieforschung ist grundsätzlich zu prüfen, ob das jeweilige Handeln der SpitzenpolitikerInnen kurz-, mittel- und langfristig mit einiger Wahrscheinlichkeit zu mehr Politikverdrossenheit führen kann.

Kurzfristige Wirkung auf Bürgerakzeptanz

Kurzfristig zeigen die Zustimmungswerte der die Groko führenden Parteien zum Zeitpunkt leicht positive Veränderungen

Als vermutete Gründe hierfür (Arbeitshypothesen) hat das FIDES-Autorenteam vor allem identifiziert:

  • die Regierungsbildung gelang in konstruktiver Weise ohne weitere Konflikte/ Probleme und konnte daher wie jede komplexe Einigung unterschiedlichen Personengruppen schon an sich  als Führungserfolg erlebt bzw. dargestellt werden
  • das Regierungsprogramm hatte vor allem zahlreiche kostenspielige SPD-Forderungen übernommen, die sich so darstellen ließen, dass es auch CDU-/CSU-Wähler als Kompromissergebnis akzeptieren konnten.

Mittelfristige Wirkung auf Bürgerakzeptanz (Annahmen)

In der politikwissenschaftlichen Forschung wird seit vielen Jahren angenommen, dass die wiederholte Bildung großer Koalitionen grundsätzlich als problematisch einzuschätzen wäre – gerade weil sie scheinbar kaum Alternativen ermöglicht und aus Sicht der BürgerInnen leicht der Eindruck entstehen kann: „egal was ich wähle, es ändert sich doch nichts“. Dieser Eindruck kann zu niedrigeren Wahlbeteiligungen führen; auch das Aufkommen radikaler und populistischer Stimmungen  wird in der Literatur angenommen.  

Daher ist hier auch die Betrachtung der möglichen Alternativen zu diskutieren.

CDU/CSU hätten durchaus zusammen mit den Grünen im Parlament eine Minderheitsregierung bilden können. Diese Strategie entspräche dem Ideal einer hochwertigen sachpolitischen Diskussion im Parlament im Sinne der parlamentarischen Demokratie. Nach unserer Einschätzung  wäre dies z.B. in früheren Jahren der Bonner Republik durchaus eine denkbare Alternative gewesen. Schließlich wäre es durchaus möglich gewesen, durch die erstmalige Bildung einer Koalition von CDU/ CSU und Bündnis 90/ Die Grünen bundesweit so viel Aufbruchstimmung und bürgerschaftliche Akzeptanz zu erzielen, dass in der Folge beim nächsten Bundestagswahlkampf die Mehrheit dieser Koalition im Bundestag in eine absolute Mehrheit verwandelt worden wäre.

Anstatt eines derartigen Versuchs – der zwangsläufig von einem Selbstvertrauen hätte getragen werden müssen, die besseren Argumente im Interesse des Gemeinwohls zu haben – wurde bekanntlich nach weiteren mehrmonatigen Verhandlungen der Parteien erneut eine Große Koalition mit der SPD gebildet (Zeitpunkt 2, Frühjahr 2018), obwohl im Wahlkampf 2017 die SPD eine erneute Koalition mit der Union ausgeschlossen hatte.

Mittelfristig ist der Widerspruch zum SPD-Wahlversprechen durchaus für die Akzeptanz des Gesamtsystems bei den BürgerInnen problematisch. Problemmindernd dürfte die individuelle Regierungsarbeit des Vize-Kanzlers Olaf Scholz gewirkt haben, der sich seitdem  hohe persönliche Zustimmungswerte in der Bürgerschaft erarbeitet hat.

Die demokratiebezogenen Probleme der SPD betrachten wir ausführlich hier.

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