Politische Führung (Bund)

Politische Führung auf Bundes- und EU-Ebene (Stand 30.11.2018)

Von Dr. Christian Marettek (FIDES-Leiter)

Überblick

Wie an anderer Stelle gezeigt, bildet der politische Bereich eine eigene Rationalität mit eigenen Zielsystemen, wie in der Gesellschaft politisches Führungshandeln begründet und systematisiert werden kann.
Neben dem eigenen „Regierungsprogramm“, das der Spitzenpolitiker/die Spitzenpolitikerin im Rahmen des Wahlkampfes bzw. öffentlicher Auftritte sich selbst gegeben hat (=woran er/sie sich messen lassen will) und der im Hintergrund existierenden sachlichen Rationalitäten (Gemeinwohl), sind st drei verschiedene politisch relevante Zielsysteme, mit denen die Spitzenpolitiker professionell umgehen müssen:

  • Zielsystem „Wille der parlamentarischen Mehrheit“
  • Zielsystem „Wille der Partei“
  • Zielsystem „Wille der Verwaltungsleitung/Hausspitze“ (z.B. Mehrheitsmeinung unter den Staatssekretären/Abteilungsleitern im Bundeskanzleramt).

Nun sind die genannten Zielsysteme für die hier interessierenden Personengruppen unterschiedlich relevant: im Zeitraum 2018 – 2020 beabsichtigt FIDES, zunächst die Führungssituation folgender Personengruppen näher zu betrachten:

  • Bundeskanzler, Staatsminister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt
  • Bundesvorsitzende von politischen Parteien, Generalsekretäre, Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • EU-Kommissionspräsident mit übrigen Führungspersonen der EU-Kommission

Hinweis: der FIDES-Vorstand hat sich zuvor systematisch hinsichtlich der Analyse der Führungssituationen folgender Personengruppen engagiert:

  • Team- und Abteilungsleitern sowie Bürgermeistern und Vereinsvorständen (zu diesen Personengruppen vgl. Marettek 2017, Wege zu gelingender Führung)
  • Oberbürgermeistern, Finanzdezernenten, Finanzminister (vgl. Marettek 2013, Wirksames Management in öffentlichen Einrichtungen; Sheikhian 2016, Bedarfsgerechtes Haushalts- und Rechnungswesen für Landesverwaltungen in Zeiten der Schuldenbremse)
  • Rektoren und Kanzler von Hochschulen, Wissenschaftsminister, Landesparlamentarier (vgl. Marettek/Holl 2012, Hochschulsteuerung aus Sicht der Länder; Marettek 2016, Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative)

Nach Überzeugung der FIDES-Gründer weist die Beziehung zwischen den Spitzenpolitikern und den übrigen Bürgern durchaus Parallelen zu psychologischen „Beziehungskisten“ auf, die zu bestimmten Zeiten wenigstens teilweise von Vertrauen geprägt sind bzw. sein sollten. So führt beispielsweise die Bundesregierung im Verhältnis zu den Bürgern kontinuierlich eine Art Dialog. Hier – also in der Politischen Psychologie, das als wissenschaftliche Disziplin bislang kaum existiert  (nur wenige Lehrstühle in Deutschland) –   müsste viel mehr geforscht werden, wie dauerhaftere Vertrauensbeziehungen aufgebaut und erhalten werden können.


1.  Politische Führung durch die Bundeskanzlerin/ den Bundeskanzler

Um die oben skizzierten Kern-Probleme der Politik-/Politikerverdrossenheit im real existierenden politischen System Deutschlands zu erforschen, geht FIDES davon aus, dass das Beziehungsgeflecht zwischen den Spitzenpolitikern und den (übrigen) Bürgern unter Verwendung psychologischer Kriterien einschließlich der empirischen Führungs-, Kommunikations- und Meinungsforschung erforscht werden sollte.

Aus Sicht der Demokratieforschung steht nach dem FIDES-Forschungskonzept die Beziehung des Politikers im Verhältnis zu den Bürgern, die ihn kennen, im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. So hat auch die Bundeskanzlerin zu allen Bürgern, die sie kennen, eine gewisse Beziehung, die von Vertrauen, Misstrauen oder Ablehnung usw. geprägt sein kann.

Im Falle der Kanzlerin sind diese Beziehungen zu vielleicht 70 Mio. Menschen in Deutschland im Laufe von mehr als 20 Jahren ihrer bundesweit wirksamen politischen Tätigkeit entstanden.

Wie in allen Beziehungen wird ein bestimmter Dialog geführt, welcher auf Seiten der Kanzlerin durch geeignete Kommunikationsstrategien geführt wird (bzw. geführt werden sollte), während auf Seiten der Bürger neben der (angekündigten) Wahlentscheidung diverse Kommunikationsäußerungen in Frage kommen, wie Briefe an die Kanzlerin, Leserbriefe an die Presse, Äußerungen im Internet usw.

Die Übertragung psychologischer Kriterien ermöglicht auch, dass die Erkenntnisse der psychologischen Führungsforschung/ betriebswirtschaftlichen Managementforschung genauso wie der Kommunikationswissenschaften problemlos auf die Beschreibung des Arbeitsplatzes „Bundeskanzlerin“ übertragen werden können. Die folgende Abbildung, die auf Henry Mintzberg zurückgeht und vom Verfasser 2013 auf eine Beispiel-Oberbürgermeisterin übertragen wurde, haben wir jetzt auch auf die Führungssituation der Bundeskanzlerin übertragen:

Damit kann auch der Begriff der politischen Führung konkretisiert werden: es handelt sich um ein hochkomplexes Bündel von Führungstätigkeiten, die von folgenden Merkmalen geprägt ist:

  • Konzeption/Darstellung für welche sachpolitischen Ziele die Kanzlerin steht (politisches Programm)
  • Kommunikationsstrategien im Verhältnis zu den Bürgern (insbesondere um das Vertrauen der Bürger zu erhalten bzw. zu gewinnen
  • Führungs-/Umsetzungsstrategien die Kanzlerin auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung des Bundeskanzleramts und anderer Regierungsstellen, des Parlaments (Bundestag, Bundesrat) und mit anderen Staaten (davon besonders eng mit anderen EU-Regierungen) verfolgt.

Wie in allen Beziehungen lassen sich auch in den Beziehungen zu den Bürgern neurotische Fehlentwicklungen feststellen: wenn die Spitzenpolitiker beispielsweise sich nach den Bürgermeinungen richten, kann man dieses Verhalten eigentlich als demokratisch einschätzen. Das gleiche Verhalten zerstört aber das Vertrauen der Bürger, wenn derselbe Spitzenpolitiker zu oft seine Meinung ändert, sich also opportunistisch verhält. Der Bürger glaubt u.U. fälschlich, dass der Politiker keine Rücksicht auf die Meinung des Bürgers nimmt – obwohl der Politiker gerade besonders stark versucht, sich nach der Bürgermeinung zu richten. In Wirklichkeit sind die Prozesse noch viel komplizierter, weil z.B. innerparteiliche Machtkämpfe und/oder eingegangene Versprechungen dominieren.

Beispiel Konflikt Merkel-Seehofer und seine Vertrauen zersetzenden Wirkungen in der politischen Öffentlichkeit

Kaum etwas hat der Bundeskanzlerin 2018 so viele Nerven gekostet wie der immer wieder aufflackernde Konflikt mit Horst Seehofer. Da dieser Konflikt offensichtlich nicht nur die politische Ebene betraf, sondern sich für die Bürger spürbar auf die persönliche Ebene verlagert hat – und die Bundeskanzlerin den Konflikt nicht erkennbar bewältigen konnte, hat sich dieser Konflikt zu einer starken Belastung für alle Beteiligten entwickelt, gerade auch für die Kanzlerin selbst, der ganz viele Kommentatoren Führungsschwäche zumaßen. Dementsprechend sind die Zustimmungsraten der Beteiligten im Sommer 2018 auf ein Allzeittief gesunken.(Vgl. focus.de, INSA-Meinungstrend)

Thomas Kliche wurde dazu vom Deutschlandfunk interviewt. Er ist Professor für Bildungsmanagement an der Hochschule Magdeburg-Stendal und sein Forschungsschwerpunkt ist die politische Psychologie. Laut Kliche sei das Verhältnis zwischen Merkel und Seehofer weiterhin schwer belastet und der Konflikt schwele als „Kalter Konflikt“ unter der Oberfläche weiter. (Vgl. Interview Thomas Kliche, Deutschlandfunk 04.07.2018)

Ein Streit, der nicht geklärt, sondern notdürftig zugekleistert ist, kann jederzeit neu entflammen. Deshalb war nach dem gerade so vermiedenen Unionsbruch im Frühsommer klar, dass die Auseinandersetzung über den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik irgendwann wieder hochkochen würde. Nur dass es jetzt schon passiert, damit hatte kaum einer gerechnet. (Spiegel Online vom 06.09.2018).

Wenn man die Beziehungen der Bürger zur derzeitigen Regierung von Angela Merkel nach den Grundsätzen der politischen Psychologie zusammenfasst, dann sind die Meinungsumfragen, die die Meinungsforschungsinstitute kontinuierlich zur berühmten „Sonntagsfrage“ durchführen, der wichtigste Indikator. Die Analysen der verschiedenen Meinungsforschungsinstitute werden auf der unseres Erachtens vorzüglichen Seite dawum.de (Philipp Guttmann) in einer Grafik zusammengefasst, die die Zustimmung der Bürger zur CDU grafisch darstellt. Diese Grafik haben wir in der folgenden Abbildung im oberen Bildrand und den Kommentar aus FIDES-Sicht darunter geschrieben.

Abbildung nach Grafik von DAWUM unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0, gefunden auf: https://dawum.de/Bundestag/

Auch die Zustimmung zur SPD bzw. deren Entwicklung kann direkt zu bestimmten Ereignissen zugeordnet werden: gerade im Februar 2018 war ein massiver Rückgang der Wählerstimmen zu beobachten gewesen. Was war geschehen?

Abbildung nach Grafik von DAWUM unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0, gefunden auf: https://dawum.de/Bundestag/

Die Tagesschau kommentierte am 11.02.2018:

Als Schulz […] mit Nahles verabredet, den Parteivorsitz an sie weiterzureichen, dafür ein Ministeramt zu übernehmen und den mittlerweile populären Gabriel kühl und wortkarg aus dem Amt zu drängen, ist für viele Parteimitglieder das Maß voll. Gabriels bittere Replik vervollständigt das Desaster. Schulz verzichtet auch auf das Außenamt. (tagesschau.de vom 11.02.2018

Der Umgang in der SPD-Parteizentrale war diesmal also ursächlich für der Vertrauensverlust. Warum? Wir können es nur andeuten.

Wenn Schulz mit Nahles etwas Anderes verabredet, als er im Wahlkampf immer wieder gesagt hatte (dass er kein Amt unter Merkel annimmt), dann verliert er durch die opportunistische Änderung zwangsläufig Vertrauen. Wenn er dabei gedankenlos Gabriel übergeht, erst recht. Beide Verhaltensmuster sind typische Kommunikationsfehler der politischen Führung, die bei richtiger Beratung hätten vermieden werden können. Wenn man Schulz kennt, dann dürfte nach unserer Einschätzung hier – nach wochenlange Verhandlungen der Parteien – „im Eifer des Gefechts“ gehandelt worden sein. Charakteristisch ist jedenfalls: die Parteikalküle überwogen, der Bürger wurde offenbar buchstäblich vergessen.


Zwischenergebnis: Vertrauen zersetzende Verhaltensmuster der politischen Führung

Wie die FIDES-Analyse am Beispiel der rückläufigen Zustimmung zu den traditionellen Parteien CDU und SPD gezeigt hat, können folgende Verhaltensmuster der politischen Führung mit Vertrauensverlust in Verbindung gebracht werden:

  • Fehlender Mut zur Minderheitsregierung mit den Grünen (nachdem Jamaika gescheitert war); Merkel wollte unbedingt stabile Regierungsmehrheit; Gefahr, dass durch zu lange Regierungsbildung wichtige politische Probleme wie die EU-Zukunft, trotz des idealistischen Werbens von Macron, gemeinsam einen neuen Anfang für Europa zu machen.
  • offen für Bürger erkennbare Parteikalküle beider/aller Parteien dominierten eindeutig. Übernahme zahlreicher kostspieliger Bestandteile des SPD-Parteiprogramms, nur um dieser positive Wahlchancen zu sichern, weil die SPD zögerte (Form des Opportunismus, weil CDU entgegen eigener Meinung nur wegen Machterhalt so handelt),
  • Am Ende des fast sechsmonatigen Verhandlungsmarathons, in dem hauptsächlich Parteikalküle zählten, vergisst auch ein erfahrener Politiker wie Schulz, selbstkritisch zu berücksichtigen, wie es auf die Bürger wirkt.
  • Eine ähnliche Unprofessionalität und Absurdität zwei Monate später bei der kurzfristigen Beförderung Maaßens zum Staatssekretär (anstelle der eigentlich gewollten Entlassung des BAMF-Leiters), die erst nach einem Aufschrei der politisch Interessierten korrigiert wird.
  • opportunistische Unbarmherzigkeit mit älteren Spitzenpolitikern (Bespiel Gabriel, der nach Eindruck der Bürger ohne Not als Außenminister abgelöst wurde).
  • ungelöste persönliche Konflikte (Beispiel Merkel-Seehofer), fehlende Souveränität (Führungskräfte sollten gelernt haben, persönliche Konflikte so zu lösen, das sie sich nicht auf das Regierungshandeln auswirken, mangelnde Professionalität, Unberechenbarkeit belastet Vertrauen).
  • Fehlende Entschlusskraft (Beispiel Diesel-Krise, die jetzt doch dazu führen wird, dass viele Diesel-PKW nicht mehr in Städte fahren dürfen), Einschnitt in wichtige Rechte der Bürger/ Pendler („nur weil die Industrie beim Diesel-Betrug von der Politik gedeckt wurde“).
  • fehlender Weitblick bzw. Fachkompetenz in Euro-Krise nach Überschuldung Griechenlands, Sinnbild Troika, die dafür sorgte, dass u.a. die Renten in Griechenland gekürzt wurden (um den Staatsbankrott zu verhindern), während reiche Griechen Ihre Euro ins Ausland transferieren konnten; monatelange quälende Verhandlungen, belasteten Ansehen der EU in der Welt, antideutsche Demonstrationen in Griechenland.

In dieselbe Richtung geht die Analyse von Renate Köcher (Allensbach), die am 30.11.2018 in der FAZ kommentiert: unter dem Titel „Reise ins Ungewisse“ bzw. „Deutschlands Zukunft ohne Volksparteien“.

„Das Ergebnis der Bundestagswahl, die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen und der mühsame, immer wieder von innerparteilichen und innerkoalitionären Streitigkeiten gestörte Regierungsalltag der großen Koalition lassen immer mehr Bürger zweifeln, ob von den Volksparteien noch Handlungsstärke und Stabilität zu erwarten sind. Die Schwächung der Volksparteien ist in eine neue Phase eingetreten.“


Das Gesamtproblem tritt offenbar in der spezifisch deutschen Form vor allem deshalb auf, weil

  • einerseits in Deutschland fast immer irgendwo Wahlkampf ist (Landtagswahlen werden offenbar stark bundesbezogen interpretiert)
  • andererseits die vom Grundgesetz geschaffene Machtgleichgewicht aller staatlichen Akteure als besonders stabil gegen jegliche Veränderungen gelten kann (sowohl auf Bundesebene als Gegenmaßnahme gegen die Instabilität der Weimarer Republik – als auch durch hochkomplexe Austarierung von Länder- und Bundeszuständigkeiten) und daher die Bürger den Eindruck gewinnen können „es ändert sich ja doch nichts – egal wie ich wähle“.
  • Man weiß schon seit Jahrzehnten: Derartige Fehlentwicklungen können dadurch gemildert werden, dass die Landtags- und Bundestagswahlen teilweise zu bestimmten Zeiten zusammen gefasst stattfinden damit nicht mehr faktisch ununterbrochen Wahlkampf ist.
  • der politische Diskussionsprozess im Ergebnis ähnlich wie in der Schweiz stärker sachorientiert stattfinden sollte und durch geeignete direktdemokratische Elemente ergänzt werden sollte.

Das skizzierte Problem, dessen Lösung seit Jahrzehnten niemand angegangen ist, hat jedenfalls als übergeordnetes Forschungsthema wesentlich zur FIDES-Gründung geführt.

Ohne dass es hier bereits wissenschaftliche Endergebnisse gibt, können folgende Zwischenergebnisse festgehalten werden:

  1. FIDES hat in den ersten zwei Jahren hauptsächlich untersucht, wie Vertrauen „trotz allem“ entsteht auch im Rahmen des Grundgesetzes. Und welche Grundsätze der Führungs-, Konflikt- und Managementforschung sich in allen Bereich in unserer Gesellschaft bewährt haben (Projekt „Sauber führen“ mit Buch- und Seminarangebot Wege zu gelingender Führung. .
  2. Und durch welche psychologisch angemessenen Kommunikation der Spitzenpolitiker das Vertrauen der Bürger in unserer Demokratie eher gefördert bzw. gesichert (bzw. gefährdet) werden kann: dabei hat eine Bundeskanzlerin natürlich ganz andere Möglichkeiten, systematisch an einer positiven Vertrauensbeziehung zu möglichst vielen Bürgern zu arbeiten – im Vergleich zum EU-Kommissionspräsidenten, der in der bisherigen Verfassungswirklichkeit der EU keine direkte Wahlbevölkerung als Gegenüber.hat (sondern 27 unterschiedliche Völker ohne direkte Ansprache). Da außerdem die EU nahezu alle wichtigen Entscheidungen in Konferenzen mit den 27 Regierungschefs trifft (nur sehr begrenzt im EU-Parlament!) existiert in der EU 27/28 offenbar eine bisher stark begrenzte Demokratieform, die nach FIDES-Überzeugung langfristig nur bestehen kann, wenn zusätzliche demokratische Bausteine entwickelt und eingeführt werden (ergibt sich vereinfachend gesagt aus den Gesetzmäßigkeiten unvollständiger Demokratie).
  3. Daher haben wir zunächst die aktuellen Probleme der EU-Reform in Angriff genommen (FIDES-Nr. 0511 und 0512 zur EU-Agrarpolitik, 0611 zur Euro-Währungsunion)
  4. Seit Sommer 2018 existiert auch das bundesdeutsche Vor-Projekt zur Integration direktdemokratischer Bausteine in die Verfassungswirklichkeit von Grundgesetz und Landesverfassungen (0811). Dabei geht es um eine möglichst gefahrlose „Roadmap“ in Richtung auf eine Integration direktdemokratischer Bausteine in die deutsche bzw. europäische Verfassungswirklichkeit
  5. Zwischenfazit: Besonders wichtig erscheint FIDES, dass die Regierenden stärker an der Kultur der politischen Führung arbeiten sollten, damit die politische Diskussion erkennbar weniger auf die Wahlchancen der Parteien und stärker auf die Sicht der Bürger ausgerichtet wird. Dies ist möglich (und notwendig im längerfristigen Eigeninteresse der Spitzenpolitiker), ohne dass ein Gesetz geändert wird. Zur konkreten Ausgestaltung ist die Forschung noch in vollem Gange – trotzdem kann schon gesagt werden, dass die Grundprinzipien einer auf längerfristiges Vertrauen ausgerichteten Politischen Führung auf allen politischen Ebenen bis hin zum EU-Kommissionspräsident ähnlich gelten –
  6. deren praktische Gestaltungsmöglichkeiten (im Sinne der Frage: „Wie soll ich mich eigentlich als Spitzenpolitiker verhalten?“) jedoch auf den verschiedenen Ebenen so unterschiedlich sind, dass es zweckmäßig erscheint, für jedes politische Spitzenamt eine ausführliche Analyse der Führungssituationvorzunehmen.

Welche neuen direktdemokratische Elemente benötigen wir? Diese Frage steht in engem Zusammenhang zur Frage, ob eine wirksame, am Gemeinwohl orientierte Politik gelingen kann. Könnte die Bundesregierung nicht vielleicht doch als Minderheitsregierung, die zwangsläufig mit wechselnden Mehrheiten auskommen muss, in ganz neuer Weise das parlamentarische Ringen um die beste Sach-Lösung kultivieren?


2. Politische Führung durch die Parteiführung von CDU oder SPD (jeweils Bundesebene)

Wie ist die Führungssituation auf Basis der Managementforschung im Alltag einzuordnen und zu bewerten? Zu diesem Zweck haben wir die erkennbaren Führungstrukturen der traditionellen, im Bundestag vertretenen Parteien näher analysiert. Konkret handelt es sich um die Arbeitsplätze folgender Führungskräfte:

Als Belegstellen im Sinne der empirischen Managementforschung haben wir in der obigen Aufzählung beim Namen der Führungskraft die persönliche Homepage verlinkt, während unter dem Parteilogo die Parteizentrale verlinkt ist, im Idealfall in Form eines Organigrammes der  jeweiligen Parteizentrale.

Hintergrund: Im Sinne der empirischen Managementforschung, wie sie von Henry Mintzberg begründet wurde, kann die Führungssituation entweder durch empirische Beobachtung des Führungsalltags der jeweiligen Person erfasst werden.

Alternativ können die in der Öffentlichkeit stehenden Personen näherungsweise auch über Beobachtungen in den Medien sowie über ergänzende Ableitungen aus den Zuständigkeitsregelungen (z.B. Organigramme) im Hinblick auf die alltäglichen Herausforderungen der Führungskraft analysiert werden.

Eine vorläufige Auswertung der Zuständigkeiten der Personengruppe „Partei-Generalsekretär“ ergibt folgendes Schaubild:

In obiger Abbildung haben wir – angelehnt an das Organigramm der CDU-Parteizentrale – die Zuständigkeiten danach differenziert, ob eher die politischen Rationalitäten (im Schaubild rosa) oder die Verwaltungsrationalitäten (im Schaubild gelb) das Führungshandeln dominieren. Die hier interessierende politische Führung, das bedeutet die operative Koordinierung aller bundesparteilichen Aktivitäten mit politischem Inhalt, insbesondere aller Wahlkampfeinsätze,

obliegt auf operativer Ebene dem Partei-

Generalsekretär der Beispielpartei.

Der Generalsekretär leitet die innerparteiliche politische Willensbildung und ist verantwortlich für sämtliche Wahlkämpfe mit bundespolitischer Bedeutung. Dies bedeutet, dass auch die meisten Landtagswahlen in Zusammenarbeit mit den Landesverbänden der Partei zu koordinieren sind. Neben seinem persönlichen Büro stehen ihm die politisch ausgerichteten Abteilungen der Bundesparteizentrale zur Verfügung: hier die Abteilung für Weiterentwicklung des Programms in den verschiedenen Politikfeldern sowie die Marketingabteilung. Insgesamt handelt es sich um einen unmittelbar zu koordinierenden Personalkörper von etwa 20-30 Personen in der Bundesparteizentrale sowie einen noch wesentlich größeren Personalkörper in den Parteizentralen der Bundesländer.


3. Politische Führung durch die EU-Kommission: Wie demokratisch ist eigentlich Europa?

FIDES-Zwischenergebnis:

Wie ist es also mit der Demokratisierung Europas? Hier bestehen offenbar tatsächlich erhebliche Defizite, weil fast alles im Wege der Verhandlung zwischen der Regierungen der Mitgliedsstaaten entschieden wird. Außerdem führt die EU-Kommission nicht wie die Bundesregierung im Verhältnis zur Wahlbevölkerung eine Art von Dialog. Allein das EU-Parlament ist aus Sicht der Demokratieforschung offensichtlich zu wenig; da kommt repräsentative Demokratie eindeutig an ihre Grenzen! FIDES geht andererseits davon aus, dass eine quasi automatische weitere EU-Integration nur „Mühlen auf das Wasser“ der Populisten ist. Daher haben wir eine aus Sicht der alten Volksparteien tragfähige politische Strategie (mit Kommunikationsstrategie), wie Europa demokratisiert und zugleich im Ansehen gesteigert werden kann. Dies Strategie wird im fast fertigen FIDES Buch Christian Marettek, Was braucht Deutschland und wie sollte es mit Europa weitergehen, veröffentlicht und enthält sowohl einen Plan zum Bürokratieabbau der EU, als auch politische Reformstrategien für die beiden Haupt-Politikfeldern Europas EU-Agrarpolitik und Euro-Währungsunion.

Wie wenig eine solide demokratieorientierte EU-Strategie bislang in den Köpfen der traditionellen Parteien ist, zeigt die Festlegung der SPD im Herbst 2018, unerschüttert von allen Bürgerzweifeln weiter für mehr EU-Integration zu werben. („Auch FIDES ist für mehr EU-Integration – aber nur, wenn demokratisch legitimiert und ohne Automatismus, um den Populisten keinen Auftrieb zu geben). Die FAZ hat dazu am 20.11.2018 treffend kommentiert:

„Kampf um Europa

Zweitausendneunzehn wird die große Auseinandersetzung um „Europa“ geführt werden, darum, ob und wie sich die EU gegen die Anfeindungen von rechts und von links behaupten kann und wie der europäische Einigungsgedanke in konkrete Politik übersetzt wird. Die SPD will also in den Europa-Wahlkampf mit dem Bekenntnis zu „mehr Europa“ ziehen. Das kann man selbstverständlich so machen. Aber gerade weil „Populisten, Rechte und neue Nationalisten“ die EU angreifen und madig machen, fragt es sich, ob die Parole „mehr Europa“ geeignet ist, von jenen angelockte Wähler für die europäische Sache zurückzugewinnen. Die Wut zum Beispiel, die sich gegenwärtig auf Frankreichs Straßen entlädt, richtet sich in gewisser Weise ja auch gegen „Brüssel“. Und das gibt es in vielen Ländern der EU. Die europäische Einigung ist eine Errungenschaft, für die es sich lohnt zu kämpfen. Sogar leidenschaftlich! Aber man kann dieser Sache, der EU, verschrieben sein – und ein Eurozonenbudget oder eine europäische Armee dennoch für fragwürdig halten. Wird die Integration auf Autopilot gesetzt, wird es nicht leicht sein, den Kampf zu gewinnen. K.F.“