Wissenschaftliche Einordnung

(Stand 07.08.2020)

Von Dr. Christian Marettek (FIDES-Leiter)

Ein Ursprung des Instituts war 2013

  • einerseits die Erfahrung, dass zwischen  Berufspolitikern und interessierten Bürgern erhebliche Kommunikationsprobleme existieren (selbst wenn beide Seiten wohlwollend sind), die allzu leicht von Feinden der Demokratie ausgenutzt werden,
  • dass andererseits die etablierte Wissenschaft (nachdem z.B. sowohl Politikwissenschaft als auch VWL an der Saar-Uni nicht mehr existieren) zumindest in den Regionen Saarland und West-Pfalz kaum wissenschaftliche Ansprechpartner liefern kann sowie
  • der Eindruck, dass in Deutschland keine ausreichende gegenwartsbezogene Demokratieforschung existiert, so dass die FIDES-Gründer als engagierte Bürger  zum Ergebnis kamen, dass wir uns nebenberuflich aber mit klarer Bindung an die Prinzipien des Wissenschaftsrats zu disziplinübergreifenden Erforschung gesellschaftlicher Herausforderungen um diese Zukunftsprobleme kümmern wollten (durch die letzten 3 entsprechenden Stellungnahmen des Wissenschaftsrats aus 2015 (Gesellschaftliche Herausforderungen), 2016 (Transfer als Gegenstand institutioneller Strategien) und 2020 (Anwendungsorientierung der Forschung) fühlen sich die FIDES-Gründer durch den Wissenschaftsrat in der Grundrichtung der Forschung voll bestätigt).

Forschungsinstitut Demokratie leben (FIDES e.V.) ist also eine Initiative von engagierten Bürgern, um gesellschaftliche Probleme überparteilich und vor allem lösungsorientiert (ergebnisoffen) zu erforschen. Damit fällt FIDES übrigens auch unter den Begriff „Bürgerscience“ bzw. das entsprechende BMBF-Förderprogramm von Ende 2019.

Das Forschungsinstitut Demokratie leben Saarbrücken (FIDES e.V.) legte in seiner Satzung fest: Als Ausgangspunkt der systematischen Demokratieforschung sollten die in einem Politikfeld bzw. Infrastrukturbereich (z.B. Bundesfernstraßen) vorhandenen gesellschaftlichen Probleme gewählt werden, so wie sie in der Bevölkerung wahrgenommen werden (die FIDES-Mitgliederversammlung beschließt hierzu jährlich über die gewünschten Forschungsschwerpunkte). Grundprinzip einer derartigen Demokratieforschung ist damit die ganzheitliche wissenschaftliche Betrachtung eines Politikfelds, Infrastrukturbereichs und der hierzu gesellschaftlich wahrgenommenen Probleme, die unabhängig von wissenschaftlichen Fachdisziplinen, also disziplinübergreifend zu lösen bzw. zu vermindern sind. Vgl. Christian Marettek 2013, Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen, S. 129ff.

Zwangsläufig verlangt eine derart komplexe disziplinübergreifende (transdisziplinäre) Forschung mit Fokussierung auf die objektivierte Bürgersicht häufig die Demut, dass man vieles noch gar nicht abschätzen kann und zunächst die richtigen Fragen gestellt werden müssen; vgl. zuletzt Marco Wehr in der FAZ vom 29.12.2018.

Andererseits haben wir teilweise (Euro-Währungskrise) die Erfahrung gemacht, dass die Eigenarten der jeweiligen Wissenschaft (VWL) bisweilen verhindern können, überhaupt eine realistische Gesamtsicht, wie sie politikrelevant ist, zu bekommen. Im gleichen Kontext haben wir auch festgestellt, dass die vermeintlich unwissenschaftliche Sicht von interessierten Bürgern und qualitativ hochwertigen Journalisten dem komplizierten Interessengeflecht der Euro-Zone eher gerecht wird (als die etablierte VWL).

FIDES will nicht nur praxisnah Demokratieforschung betreiben (die im Regelfall im Internet veröffentlicht wird), sondern wir wollen uns auch die Zeit nehmen, die Ergebnisse für jeden interessierten Bürger verständlich zu machen. Hierzu nutzt FIDES die Zusammenarbeit mit der Beratungsgesellschaft Dr. Marettek Consulting GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft: die Anwendung der wissenschaftlichen FIDES-Arbeiten wird in folgenden Medien lebensnah umgesetzt:

  • der Buchreihe Edition Demokratie leben (z.B. Wege zu gelingender Führung)
  • der experimentelle Versuch einer (vorübergehenden) Video-Reihe auf YouTube „Wie klappt es eigentlich mit der Demokratie?“ (die Zeit der nur nebenberuflichen Forscher fehlte zur Fortsetzung) und
  • der Zusammenstellung der praktischen Ergebnisse in unseren Flyern, mit anschließender Diskussion in der Saarbrücker Fußgängerzone im Sommer 2019 (experimentell, um rauszufinden, was den Bürger wirklich bewegt und wie viel auf der Straße überhaupt kommunizierbar ist. (ein allgemeinverständliche Auswertung aller Analysen ist für Sommer 2021 geplant).

Das von FIDES vertretene Wissenschaftskonzept kann also durch folgende Abbildung zusammen gefasst werden:

Systemischer Ansatz

FIDES beabsichtigt, die systemischen Problemkomplexe der Politik- und Politikerverdrossenheit in der real existierenden parlamentarischen Demokratie – gerade in der Wechselwirkung zwischen Bürger und Politik – zu erforschen. Hintergrund ist die Sorge, dass die Errungenschaften der parlamentarischen Demokratie – insbesondere die im Grundgesetz verbrieften Grund- und Bürgerrechte – nicht auf Dauer bestehen bleiben, wenn die Vertrauensdefizite zwischen den gewählten Politikerinnen und Politiker und der Masse der Bürger mittelfristig nicht vermindert werden können. Gerade das kontinuierliche Schielen nach der Meinung der Bürger führt häufig zu handwerklich immer schlechterer Sachpolitik und im Ergebnis dazu, dass die Bürger ihren Interessenvertretern immer weniger vertrauen. Vgl. dazu ausführlich Marettek 2013 – Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen insbesondere S. 67ff.

Zu einer derartigen Demokratieforschung gehören nach unserem Vorschlag daher die folgenden Teilgebiete:

  • Eine problem- und lösungsorientierte Erforschung des öffentlichen Managements – der verschiedenen staatlichen und kommunalen Ebenen mit dem Oberziel: Wie können wirksame Reformen im politischen System (Sicht der Bürger) erreicht werden? Dazu gehört nach der hier vorgeschlagenen Begriffsbildung schließlich eine kontinuierliche bürgerorientierte Agenda- und Werteforschungdie den Rahmen für die Demokratieforschung i.e.S. bildet.
  • Die ebenso praxisorientierte Erforschung ergänzender gesellschaftlicher Problembereiche, die zwar nicht mit dem politischen System zusammenhängen, aber dennoch von den Bürgern mehrheitlich als großes gesellschaftliches Problem wahrgenommen werden, wird hier als Demokratieforschung i.w.S. bezeichnet. Hierzu gehören z.B. die wachsende Anzahl von Burnouts bzw. Unzufriedenheiten mit der Führungskultur in der Wirtschaft genauso wie die großen Umwelt- und Agrarthemen wie naturgerechte Landwirtschaft, CO2-Reduktion und Atomkraft.

Für beide Arten der hier definierten Demokratieforschung dürfte als zentrale Basis die praxisorientierte Erforschung des öffentlichen Managements dienen können. Der Verfasser fungiert ja seit 2012 an anderer Stelle als Mitherausgeber der „Wissenschaftlichen Reihe zum öffentlichen Management“. Diese bislang vierbändige Reihe hat gezeigt, wie wertvoll eine Erforschung des öffentlichen Managements im Sinne der empirischen Managementforschung sein kann, wenn die konkreten Steuerungsprobleme einer bestimmten Gruppe von Spitzenpolitikern; z.B. die der Finanzstaatssekretäre eines Landes lösungsorientiert erforscht werden. Nur so kann nach unserer Überzeugung eine Annäherung an das Phänomen des „Guten Regieren“ gelingen – zugeschnitten auf die konkreten Führungssituationen des bundesdeutschen parlamentarischen Demokratie.


Beispiel: Politische Führung durch die EU-Kommission oder die Bundeskanzlerin als Demokratieforschung i.e.S.

Um die oben skizzierten Kern-Probleme der Politik-/Politikerverdrossenheit im real existierenden politischen System Deutschlands zu erforschen, geht FIDES davon aus, dass das Beziehungsgeflecht zwischen den Spitzenpolitikern und den (übrigen) Bürgern unter Verwendung psychologischer Kriterien (Politische Psychologie) einschließlich der empirischen Meinungsforschung erforscht werden muss sowie dass dazu auch alternative Gestaltungsoptionen soweit wie möglich empirisch zu untersuchen sind.

Aus Sicht der Demokratieforschung geht es also um ein Beziehungsgeflecht: jeder Politiker hat zu allen Bürgern die ihn kennen eine gewisse Beziehung. Insgesamt existiert damit ein sehr heterogenes Beziehungsgeflecht. Wie in allen Beziehungen können diese von Vertrauen oder Misstrauen und Ablehnung usw. geprägt sein.

Wie in allen Beziehungen lassen sich auch neurotische Fehlentwicklungen feststellen: wenn die Spitzenpolitiker beispielsweise sich nach den Bürgermeinungen richten, kann man dieses Verhalten eigentlich als demokratisch einschätzen. Das gleiche Verhalten zerstört aber das Bürgervertrauen, wenn der selbe Spitzenpolitiker zu oft seine Meinung ändert, sich also opportunistisch verhält.

Vertrauen bekommt ein Politiker hauptsächlich dann vom Bürger verliehen, wenn er bei seinen Überzeugungen bleibt und wenn er sich erkennbar um das Gemeinwohl bemüht.

Bei häufigen Meinungsänderungen glaubt der Bürger, dass der Politiker kein Rückgrat hat und irgendwelche Machtinteressen verfolgt – obwohl der Politiker vielleicht gerade besonders stark versucht, sich nach der Bürgermeinung zu richten. In Wirklichkeit sind die Prozesse noch viel komplizierter, weil z.B. innerparteiliche Machtkämpfe und/oder eingegangene Versprechungen dominieren.

Das Gesamtproblem tritt offenbar in der spezifisch deutschen Form vor allem deshalb auf, weil

  • einerseits in Deutschland fast immer irgendwo Wahlkampf ist (Landtagswahlen werden offenbar stark bundesbezogen interpretiert)
  • andererseits die vom Grundgesetz geschaffene Machtgleichgewicht aller staatlichen Akteure als besonders stabil gegen jegliche Veränderungen gelten kann (sowohl auf Bundesebene als Gegenmaßnahme gegen die Instabilität der Weimarer Republik – als auch durch hochkomplexe Austarierung von Länder- und Bundeszuständigkeiten) und daher die Bürger den Eindruck gewinnen können „es ändert sich ja doch nichts – egal wie ich wähle“.
  • Man weiß schon seit Jahrzehnten: Derartige Fehlentwicklungen könnten dadurch gemildert werden, dass die Landtags- und Bundestagswahlen teilweise zu bestimmten Zeiten zusammen gefasst stattfinden damit nicht mehr faktisch ununterbrochen Wahlkampf ist.
  • der politische Diskussionsprozess im Ergebnis ähnlich wie in der Schweiz stärker sachorientiert stattfinden sollte und durch geeignete direktdemokratische Elemente ergänzt werden sollte.

Das skizzierte Problem, dessen Lösung seit Jahrzehnten niemand angegangen ist, hat jedenfalls als übergeordnetes Forschungsthema wesentlich zur FIDES-Gründung geführt.

Ohne dass es hier bereits wissenschaftliche Endergebnisse gibt, können folgende Zwischenergebnisse festgehalten werden:

  1. FIDES hat in den ersten zwei Jahren hauptsächlich untersucht, wie Vertrauen „trotz allem“ entsteht (auch im Rahmen des Grundgesetzes)
  2. welche Grundsätze der Führungs-, Konflikt- und Managementforschung sich in allen Bereich unserer Gesellschaft bewährt haben (Projekt „Sauber führen“ mit Buch- und Seminarangebot Wege zu gelingender Führung)
  3. durch welche psychologisch angemessenen Kommunikation der Spitzenpolitiker das Vertrauen der Bürger in unserer Demokratie eher gefördert bzw. gesichert (bzw. gefährdet) werden kann: dabei hat eine Bundeskanzlerin natürlich ganz andere Möglichkeiten, systematisch an einer positiven Vertrauenbeziehung zu möglichst vielen Bürgern zu arbeiten – im Vergleich zum EU-Kommissionspräsidenten, der in der bisherigen Verfassungswirklichkeit der EU keine direkte Wahlbevölkerung als Gegenüber hat (sondern 27 unterschiedliche Völker ohne direkte Ansprache). Da außerdem die EU nahezu alle wichtigen Entscheidungen in Konferenzen mit den 27 Regierungschefs trifft (nur sehr begrenzt im EU-Parlament!) existiert in der EU 27/28 offenbar eine stark begrenzte Demokratieform, die nach FIDES-Überzeugung langfristig nur bestehen kann, wenn zusätzliche demokratische Bausteine entwickelt und eingeführt werden (ergibt sich vereinfachend gesagt aus den Gesetzmäßigkeiten unvollständiger Demokratie).
  4. Daher haben wir zunächst die aktuellen Probleme der EU-Reform in Angriff genommen (FIDES-Nr. 0511 und 0512 zur EU-Agrarpolitik, 0611 zur Euro-Währungsunion)
  5. Seit Sommer 2018 existiert auch das bundesdeutsche Vor-Projekt zur Integration direktdemokratischer Bausteine in die Verfassungswirklichkeit von Grundgesetz und Landesverfassungen (0811). Dabei geht es um eine möglichst gefahrlose „Roadmap“ in Richtung auf eine Integration direktdemokratischer Bausteine in die deutsche bzw. europäische Verfassungswirklichkeit
  6. Zwischenfazit: Besonders wichtig erscheint FIDES, dass die Regierenden stärker an der Kultur der politischen Führung arbeiten sollten, damit die politische Diskussion erkennbar weniger auf die Wahlchancen der Parteien und stärker auf die Sicht der Bürger ausgerichtet wird. Dies ist möglich (und notwendig im längerfristigen Eigeninteresse der Spitzenpolitiker), ohne dass ein Gesetz geändert wird. Zur konkreten Ausgestaltung ist die Forschung noch in vollem Gange – trotzdem kann schon gesagt werden, dass die Grundprinzipien einer auf längerfristiges Vertrauen ausgerichteten Politischen Führung auf allen politischen Ebenen bis hin zum EU-Kommissionspräsident ähnlich gelten –
  7. deren praktische Gestaltungsmöglichkeiten (im Sinne der Frage: „Wie soll ich mich eigentlich als Spitzenpolitiker verhalten?“) jedoch auf den verschiedenen Ebenen so unterschiedlich sind, dass es zweckmäßig erscheint, für jedes politische Spitzenamt eine ausführliche Analyse der Führungssituation vorzunehmen
  8. Dies gilt für die Praxis genauso wie für die im Entstehen befindliche wissenschaftliche Disziplin – egal ob wir es „Demokratieforschung“, „Politische Psychologie“, „Politische Führungslehre“, „Öffentliches Management“ oder „Politisches Management“ nennen wollen: jeweils sollte für die Kategorie des öffentlichen Amtes eine empirisch fundierte Sammlung von Führungsprinzipien, die sich offenbar in der Demokratie bewährt haben, angestrebt werden.

Das spezifische FIDES-Element ist die konsequente Fokussierung auf das Führungshandeln in einer bestimmten historischen Situation und die Ableitung konkreter, demokratiefördernder Handlungsempfehlungen im Sinne von möglichen „Wegen zu gelingender politischer Führung“. Wenn man genau ist, versucht FIDES, sich mit psychologischen Mitteln an das anzunähern, was in der realen Demokratie als erfolgversprechende und weise politische Führung angesehen werden könnte – nicht jedoch eine differenzierte Theoriebildung zum politischen System.

Als nächste „wissenschaftliche Bausteine“ einer etwas modifizierten Forschungsrichtung könnte noch eine Systematisierung des Verhaltens von Spitzenpolitikern der Gegenwart wissenschaftlich angestrebt werden, hieraus könnte ein „Schulterschluss“ zu bereits bestehenden Ansätzen der empirischen Politikwissenschaft gelingen..

Selbstverständlich können wir so schwierige Themen nur mit wissenschaftlichen Partnern näher erforschen (hier ist „Platz“ für zahlreiche Dissertationen).

Demokratieforschung im weiteren Sinne

Langfristig kann in der Wählerforschung beobachtet werden, dass die Zufriedenheit der Bürger mit den Regierenden auch von zahlreichen ökonomischen und sonstigen Faktoren abhängt, die nur schwer mit der „Performance“ der regierenden in Berlin zusammen zu bringen sind. Deshalb erscheint es auch notwendig zu sein, den Begriff der Demokratieforschung auch in einem weiteren Sinne (teilweise analog zur Glücksforschung) zu verwenden. In der Politik weiß es jeder Praktiker: wenn die Wirtschaft boomt und Vollbeschäftigung herrscht – vielleicht sogar die Fußball-Nationalmannschaft gerade erfolgreich ist –  sind die Chancen der Regierenden bzw. der etablierten Parteien, wiedergewählt zu werden, größer, als wenn diese Faktoren nicht existieren.

Bevor es möglich erscheint, etwas so komplexes wie „politische Führung“ wissenschaftlich adäquat einzuschätzen, erscheint es notwendig zu sein, erst einmal einen differenzierten und praxisorientierten wissenschaftlichen Stand zur Führungsforschung insgesamt zu erarbeiten (bezogen auf erfolgversprechendes, als gerecht erlebtes Führungshandeln unter den Rahmenbedingungen der konkreten historischen Situation unserer Gesellschaft).

Vor diesem Hintergrund hatte FIDES das erste eigene Buch-Projekt ganz allgemein den Führungsproblemen in Wirtschaft und Gesellschaft gewidmet. Diese Prioritätensetzung ist auch sachgerecht, weil unter Leitung von Dr. Marettek bereits seit 2011 in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten die Führungsprobleme von verschiedenen Personengruppen des Öffentlichen Managements systematisiert wurden und nach Abarbeitung des FIDES-Forschungsprogramm dann erstmals ein relativ kompletter Stand zu den wichtigsten Personengruppen des Öffentlichen Management vorliegen dürfte.

Wenn FIDES jetzt 2018-2020 vorrangig die Situation der Bundesspitzen bearbeiten will,

  • Bundesvorsitzende von politischen Parteien, Generalsekretäre, Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • Bundeskanzler, Staatsminister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt,

ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der FIDES-Vorstand sich zuvor systematisch hinsichtlich der Analyse der Führungssituationen folgender Personengruppen engagierte:

  • Team- und Abteilungsleitern sowie Bürgermeistern und Vereinsvorständen (zu diesen Personengruppen vgl. Marettek 2017, Wege zu gelingender Führung)
  • Oberbürgermeistern, Finanzdezernenten, Finanzminister (vgl. Marettek 2013, Wirksames Management in öffentlichen Einrichtungen; Sheikhian 2016, Bedarfsgerechtes Haushalts- und Rechnungswesen für Landesverwaltungen in Zeiten der Schuldenbremse)
  • Rektoren und Kanzler von Hochschulen, Wissenschaftsminister, Landesparlamentarier (vgl. Marettek/Holl 2012, Hochschulsteuerung aus Sicht der Länder; Marettek 2016, Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative)

Beispiel: Führung in Wirtschaft und Ehrenamt (Buch Wege zur gelingenden Führung) als Demokratieforschung i.w.S.

In diesem 1. eigenen FIDES-Projekt ging es um die gesellschaftliche Problematik, dass in unserer Leistungsgesellschaft die Grundsätze guter (= verantwortungsbewusster und erfolgversprechender) Führung immer noch nicht weit genug verbreitet bzw. bekannt sind. Dies gilt sowohl für gewerbliche Unternehmen aller Größenordnungen wie für öffentliche Verwaltungen – aber auch für die Ehrenämter in den Sportvereinen oder Kirchen.

Leider entsteht bei ganz vielen Bürgern deshalb immer wieder unnötiger Frust, wenn Führung „mal wieder“ misslingt – wenn sich Menschen in unnötigen Konflikten verschleißen. Im schlimmsten Fall – leider nicht so selten – trägt sie sogar dazu bei, dass der Krankenstand steigt – bzw. sich der Anteil der psychisch bedingten Erkrankungen erhöht. Zu den Ergebnissen.

Auf derselben Ebene (Demokratieforschung i.w.S.) liegen verschiedene aktuelle Diskussionsbeiträge anderer Bürgerinitiativen wie Muutos e.V. (Muutos ist finnisch und heißt „Veränderung“ i.S. einer gewaltfreien Kommunikation). Die Methode der gewaltfreien Kommunikation wurde vom us-amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg entwickelt.


Wissenschaftstheoretische Einordnung

Die hier verfolgte Forschungskonzeption ist vom philosophischen Pragmatismus geprägt, wie er in den letzten Jahrzehnten immer stärker die empirischen Sozialwissenschaften geprägt hat. Auch wenn die praktischen Handlungswelten z.B. eines Universitätsleiters oder eines Landesfinanzministers als Forschungsgegenstände natürlich jeweils sehr unterschiedlich und hochkomplex sind, sollte gute Forschung unseres Erachtens trotzdem versuchen, der jeweiligen praktischen Realität so weit wie möglich ideologiefrei gerecht zu werden. Vgl. Christian Marettek 2016, Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative, S. 30.

Zum Pragmatismus vgl. als wichtige Ursprungstexte John Dewey 1991, A Common Faith, Based on the Terry Lectures delivered at Yale University, 1859–1952, Reprint New Haven and London; Charles Sanders Peirce 1991, Vorlesungen über Pragmatismus, Hamburg.

Zur Übertragung des philosophischen Pragmatismus auf die Betriebswirtschaftslehre vgl Georg von Schreyögg, der die Betriebswirtschaftslehre nicht als eine angewandte Wissenschaft, sondern als eine praktische Wissenschaft versteht, deren Ausgangspunkt konkrete praktische Steuerungsprobleme sind. Schreyögg definierte die Betriebswirtschaftslehre als sozialwissenschaftliche Problemlösungswissenschaft – wissenschaftstheoretisch begründet durch den „philosophischen Pragmatismus“ (vgl. Schreyögg 2007, Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre: zwischen Integration und Zerfall, in: Zukunftsperspektiven der Betriebswirtschaftslehre, 75 Jahre Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e. V., hrsg. von Börsig und Herzig, S. 1-26).

Parallel hierzu gibt es zahlreiche weitere Autoren, die die ältere Wissenschaftsphilosophie in Frage gestellt haben, als dass es darum ginge, zunächst wissenschaftliche Theorien zu bilden, die anschließend nur in die Praxis (im Sinne des technologischen Wissenschaftsziels) umgesetzt werden müssten. So einfach ist es nicht!

Der Nobelpreisträger Herbert A. Simon hatte bereits in den 1950er Jahren zusammen mit Allen Newell herausgefunden, dass die Praxis menschlicher Problemlösungen anderen Regeln folgt als der Subsumption von Fällen unter abstrakte Regeln bzw. Theorien. Vielmehr geht es um eine wechselseitige Interaktion zwischen Praktiker und Situation. Vgl. hierzu kürzlich der vorzügliche Artikel von Dirk Baecker 2017, Agilität in der Hochschule, in: die hochschule 1/2017, S. 19-28 (S. 24) sowie als Ursprungstexte Allen Newell/ Herbert A. Simon 1971, Human Problem Solving, Englewood Cliffs NJ, und Herbert A. Simon 1993, Homo rationalis, Die Vernunft im menschlichen Leben, Frankfurt.

Prof. Dr. Dirk Baecker (Soziologe und Inhaber des Lehrstuhls für Kulturtheorie und Management an der Universität Witten/Herdecke) betont dabei die inhaltlichen Parallelen mit dem aktuellen Konzept des „Design Thinking“ (vgl. Hasso Plattner/ Christoph Meinel/ Larry Leifer (Hrsg.) 2016, Design Thinking Research) und kommt zum Ergebnis (Baecker 2017, ebenda S. 24-25):

„An Stelle eines umfassenden Wissens, das nur auf seine Anwendung wartet, tritt in der akademischen Praxis einer agilen Hochschule eine spezifische Leere. (…) Niemand versucht mehr zu wissen, als im Moment zu wissen ist. Diese meditative Leere ist keine Leere der Untätigkeit, sondern eine umsichtige Vorbereitung auf Aufgaben und Aufträge, mit deren überfordernder Komplexität man vorab bereits rechnet“.

Eine derartige Forschung, der die komplexe Lebenswirklichkeit konkrete Aufträge stellen darf (vgl. ähnlich Baecker a.a.O. S. 25), fühlt sich auch FIDES verpflichtet.

Als Vorbild der FIDES-Gründer – die von Anfang an eine derart aktuell-relevante Forschung anstrebten – und insbesondere die Allgemeinverständlichkeit verlangten (aus Sicht der interessierten Bürger) – kann immer noch das Buch von Daron Acemoglu/ James A. Robinson 2013, Warum Nationen scheitern, Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut, aufgeführt werden.


Fazit: Forschung zwischen Politikwissenschaft, VWL, Öffentlichem Recht, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre

Das Forschungsinstitut Demokratiereform wurde u.a. gegründet, weil zu den oben genannten gesellschaftlichen Herausforderungen bislang erstaunlich wenig systematische Forschung erfolgt (Ausnahmen sind sicherlich die regelmäßigen Veröffentlichungen, die die Bundesregierung zur Wirtschaftspolitik vom Sachverständigenrat oder der Expertenkommission Forschung und Innovation einkauft.

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht vgl. hierzu die aktuelle Studie des Wissenschaftsrats sowie ergänzend die fachdisziplinäre Einordnung von Marettek 2013, Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen S 138-173.

Zum Beitrag der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen

[1] Der Begriff „disziplinübergreifend“ wird im Sinne des von Mittelstraß geprägten Begriff „transdisziplinär“ verwendet. Transdisziplinarität kann im Sinne von Mittelstraß als eine Forschung verstanden werden, „die sich aus ihren disziplinären Grenzen löst, die ihre Probleme disziplinübergreifend definiert und disziplinunabhängig löst“. siehe Mittelstraß 1998, Die Häuser des Wissens. Wissenschaftstheoretische Studien, S. 44f.; Mittelstraß 2012, Transdisziplinarität oder von der schwachen zur starken Interdisziplinarität, in: Gegenworte: Hefte für den Disput über Wissen, 28, S. 11 – 13.