FIDES e.V.: Aktuelles (Stand 18.04.2023)

Als wissenschaftlicher Leiter bzw. Schriftführerin von FIDES e.V. freuen wir uns über Ihr Interesse! (Foto: Dr. Christian und Ulrike Marettek).

Wir sind ja als gemeinnütziger und überparteilicher Verein dazu gegründet worden, umsetzbare Strategien zur Erhöhung der Bürgerzufriedenheit auf Basis des Grundgesetzes und der EU zu erarbeiten (unsere Zwischenergebnisse haben wir auf unserer Homepage demokratie-leben.org dargestellt).

Nach acht Jahren praxisnaher Forschungsarbeit haben wir das ursprünglisind wir mehr denn je davon überzeugt, dass die Demokratie langfristig nur überleben kann, wenn die Probleme ehrlich und in konstruktiver Weise besprochen werden  wenn keine Denkverbote gelten und jede/r seine Meinung zur Diskussion stellen darf. 

Im Folgenden werden die noch bestehenden Forschungsbedarfe – differenziert nach Deutschland, EU und weltweite Demokratieforschung – in einem aktuellen Zwischenruf skizziert.

Aus FIDES-Sicht bleibt festzuhalten, dass nur diejenige Form der Demokratieforschung wirklich realistische Hilfestellungen der Politik liefern kann, wenn die interdisziplinäre Erforschung der Bürgerakzeptanz so im Mittelpunkt steht, wie es in der FIDES-Satzung von 2015 entspricht.

Realexistierende Demokratie als Staatsform nach einem Jahr Einmarsch in die Ukraine (Zwischenruf 18.04.2023)

Kommentar von Dr. Christian Marettek

Forschungsbedarfe der weltweiten Demokratieforschung

Im letzten Jahrzehnt ist weltweit die Staatsform Parlamentarische Demokratie westlicher Prägung – sogar mitten in Europa – offenbar unter Druck geraten: Wie ist diese Tendenz zu beurteilen? Offenbar versuchen mehrere autoritär regierte Staaten wie Russland, China, Iran sich grundsätzlich von der Dominanz der USA gemeinsam zu lösen. Offenbar ist das Ziel, dass diese mittleren Mächte ihre Einflusszonen auch mit Gewalt konsolidieren bzw. ausweiten.

Zur Vermeidung von kriegerischen Auseinandersetzungen sollte unseres Erachtens dringlich ein Instrumentarium entwickelt werden. Gerade das Beispiel der Krim kann nach unserer Analyse zur Plausibilisierung dienen. Wenn zur Zeit der „orangenen Revolution“ und besonders in den Jahren 2012-2014 mittels Volksabstimmungen auf der Krim sowie im Donbass über die staatliche Zugehörigkeit der genannten Gebiete – die bekanntlich nicht mehrheitlich ukrainisch besiedelt sind/waren. Leider wurden hierbei u.E. erhebliche Chancen zur Kriegsvermeidung nicht genutzt. Erheblicher Forschungsbedarf besteht darin, dass das weltweite Völkerrecht endlich ernsthafte Instrumente benötigt, wie Grenzänderungen ohne Krieg möglich werden.

Derweil wir diese Zeilen schreiben, sterben traurigerweise Menschen mitten in Europa wegen der russischen Invasion in der Ukraine, wo eines der Kriegsziele offen der angestrebte Sturz der demokratisch gewählten Regierung unter Präsident Selensky ist! Seinen massiven Kriegseinsatz hat Putin offenbar über Jahre geschickt vorbereitet. Unter anderem wurde ein Großteil der Währungsreserven (früher in Euro bzw. Dollar) umgeschichtet in chinesische Währung und auch rechtzeitig die politische Rückendeckung Chinas ausgehandelt. Aber auch innerhalb Russlands wurden sorgfältig fast alle demokratischen Rechte schrittweise abgeschafft. Die russische Duma hat zuletzt ja ein Gesetz verabschiedet, das jede Kritik am Militäreinsatz in der Ukraine mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedroht. Beeindruckend aber doch der Widerstand von mehreren Tausend Russischen BürgerInnen im Frühling und Sommer 2022, die wegen Demonstrationen gegen den Einmarsch in die Ukraine) bereits verhaftet wurden. 

Aber auch die Entwicklungen in der Türkei und innerhalb der Republikanischen Partei unter Donald Trump (man denke an den Sturm auf das Capitol am 06.01.2021) können nur als wesentliche Einschränkungen demokratischer Bürgerrechte gewertet werden. „Fake-News“ und Verschwörungstheorien als Mittel der Politik scheinen wieder hoffähig zu werden. 

Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Indizien dafür, dass China die russische Invasion als etwas „Normales im Hinterhof einer Großmacht“ zu unterstützen scheint – vermutlich um im Rahmen des chinesisch-russischen Geheimabkommens die eigenen Machtinteressen hinsichtlich des demokratisch regierten Taiwan in den nächsten Jahren durchsetzen zu können. Noch Schlimmer: Brasilien und andere Länder haben Verständnis und wollen die eigenen Beziehungen zu China und Russland weiter intensivieren – trotz der Sanktionen des Westens.

Wie ist das Ganze aus Sicht der Demokratie als Staatsform zu werten? Grundsätzlich sollte der Westen die Sanktionspolitik grundsätzlich überdenken – nicht aber den Widerstand gegen die russische Invasion (und auch gegen andere undemokratische Fehlentwicklungen!). Im weltweiten Kontext sieht es leider so aus, dass vor allem China und Russland ein strategisches Bündnis geschmiedet haben, mit dem Ziel, neue Freiräume für klassische Eroberungsfeldzüge zu erhalten (Ukraine und Taiwan). Selbst das Mullah-Regime in Teheran schließt sich offenbar inoffiziell diesem Bündnis an… Plötzlich können sogar schwerste Feindschaften wie die zwischen der Obermacht der Schiiten (Teheran) und der der Sunniten (Riad) unter chinesischer Vermittlung bearbeitet werden. Alle autoritären Mächte schließen sich offenbar zusammen, um dem Westen zu widerstehen.

Wir sind davon überzeugt, dass die Demokratie als Staatsform noch lange nicht ausgedient hat und dass dieses Zusammenrotten der autoritären Mächte eigentlich nur bestätigt, dass die Demokratie – bei aller notwendigen Selbstkritik in Teilbereichen – als grundsätzliche Errungenschaft verteidigt werden muss, durchaus auch wehrhaft.

Forschungsbedarfe der bundesdeutschen Demokratieforschung