Zum Gemeinwohl einer Stadt

Das „Gemeinwohl“ bleibt natürlich immer überwiegend verborgen im Hintergrund – trotzdem ist es in Grenzen sachlichen Objektivierungsversuchen zugänglich.

Was als Gemeinwohl anzusehen ist – darüber findet im Übrigen ein Teil des politischen Wettstreits kontinuierlich statt. Von Bedeutung ist auch die Frage der Gerechtigkeit, über die bekanntlich sehr unterschiedliche Ansichten bestehen. Man denke nur an das Problem der intergenerativen Gerechtigkeit.
FIDES-Gründer Dr. Marettek hat 2013 (Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen, S.50f) folgende Arbeitshypothesen zur Annäherung an das Gemeinwohl vorgeschlagen:
Das Gemeinwohl ist danach als ein wichtiges politikrelevantes Ideal zu begreifen, welches als Orientierungspunkt durchaus unverzichtbar ist. Eine konsequente Orientierung am Gemeinwohl – die auch kommunizierbar ist – ist nach der hier vertretenen Auffassung in der Praxis fast immer möglich, wenn man es nur will. Andererseits können das Gemeinwohl bzw. seine Veränderung – selbst in Zeiten der kommunalen Bilanzen – nur selten zuverlässig gemessen werden.

Als gemeinwohlfördernd können im Zweifel folgende Ziele (Maßnahmen) gelten:

  • Als gemeinwohlfördernd kommen erstens alle diejenigen Ziele (Maßnahmen) in Frage, bei denen angenommen werden kann, dass dadurch entweder das Gesamtvermögen (Nutzungspotenzial) oder/ und die Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung vermehrt werden – ohne dass an anderen Stellen Minderungen hingenommen werden müssen. Mit Hilfe dieser Annahme würden sämtliche Investitionen – z. B. das Großbauprojekt „D21“ als gemeinwohlfördernd eingestuft. Dies kann uneingeschränkt nur gelten, sofern bei Kreditfinanzierung die insgesamt von der Stadt zu bewältigenden Zinslasten nicht zum Aufbau zusätzlicher Schulden führen.
  • Zweitens können alle diejenigen Ziele (Maßnahmen) als gemeinwohlfördernd eingestuft werden, die zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung führen – bei Konstanz der Gesamtvermögens, des Nutzungspotenzials und der Leistungsfähigkeit der Verwaltung führen.

Anwendung am Beispiel der fiktiven Oberbürgermeisterin

Im Hinblick auf die Ziele der Beispiel-Oberbürgermeisterin können daher unter Umständen die folgenden vier Ziele (Maßnahmen) als gemeinwohlfördernd eingestuft werden:

  • Stadtentwicklungsprojekt „D21“ (Lärmreduktion, Erhöhung der Attraktivität als Einkaufs- und Wohnstadt, ökologische Optimierung durch zusätzlichen Stadtpark, Stärkung des ÖPNV, wenn Bahnfahrer nicht mehr die sechsspurige Straße überqueren müssen, usw.) unter der Bedingung, dass bei Kreditfinanzierung die insgesamt von der Stadt zu bewältigenden Zinslasten nicht zum Aufbau zusätzlicher Schulden führen
  • Ausweisung zusätzlicher Neubaugebiete – allerdings nur unter der Bedingung, dass ökologische Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen werden
  • Stärkung der Verkehrssicherheit und Ordnung, damit die Innenstadt weniger zugeparkt wird, vor allem an Abenden und am Wochenende
  • Abbau der städtischen Schulden so, dass weder soziale Verwerfungen noch spürbare Leistungseinschränkungen entstehen; in diesem Zusammenhang hat die Beispiel-Oberbürgermeisterin zusätzlich das Ziel „wirksames Sparen an der richtigen Stelle“ formuliert.

Was bedeutet „Wirksames Sparen an der richtigen Stelle“?

Im Beispielfall (Marettek 2013, Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen, S. 51) kennt die Oberbürgermeisterin noch aus ihrer Praxis als ehemalige Leiterin des Personalamts die Verwaltung so gut, dass sie auf Anhieb 4 Ämter nennen könnte, deren Personalausstattung überdurchschnittlich hoch sind.

Unsere Beispiel-OB kommt in der Fallstudie im Buch noch ganz schön „ins Schwitzen“ … – weil ein derartiger Organisationsentwicklungsprozess natürlich ein risikobehafteter Change-Prozess beinhaltet (hier nicht abgedruckt; vgl. im Buch ab S. 51).