Wirksames öffentliches Management als Ziel
Von Dr. Christian Marettek
Überblick
Das wichtigste Ziel von bürgerorientierter Demokratieforschung ist nach Auffassung der FIDES-Gründer, dass mit allem wissenschaftlichen Ehrgeiz disziplinübergreifend versucht werden sollte, nur solche Reformkonzepte für unsere Gesellschaft zu erarbeiten, die sich im Endergebnis jeweils als wirksam erweisen – bzw. die bereits zuvor als wirksam aus Sicht der Verwaltungswissenschaft eingeschätzt werden können.
Dabei gibt es bislang in Deutschland – anders als in der Schweiz – viel zu wenig Forschung zum öffentlichen Management überhaupt – und erst recht zu wenig zugehöriger Wirksamkeitsforschung – und damit auch zu wenige Hinweise dafür was sich als wirksam erweisen sollte.
Führungsarbeit als Forschungsgegenstand
Bei der Analyse des Führungshandelns des öffentlichen Managements kommt es nach Überzeugung von FIDES besonders auf die Qualität der psychologischen Fundierung an – was mit den Begriffen „Führungsarbeit“ bzw. „Führungshandeln“ verstanden wird. Daher wird schon an dieser Stelle klargestellt, dass hier keine Übertragung der weitverbreiteten Ansätze des New Public Managements (NPM) angestrebt wird. Vielmehr werden die NPM-Ansätze, die sich in Teilen als psychologisch nicht fundiert genug erwiesen haben,durch ein phänomenologisches Verständnis des Begriffs „öffentliches Management“ ersetzt. (Vgl. Marettek 2016, Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative, S. 29f.).
Die Begriffe „Führungsarbeit“, „Führungshandeln“ und „Management“ werden dabei synonym verwendet, um das empirisch feststellbare Phänomen des öffentlichen Managements (= das, was z. B. Finanzstaatssekretäre tun) zu beschreiben.
Das, was öffentliche Führungskräfte tun – also die tatsächliche Praxis –, ist der Forschungsgegenstand; in der Sprachwelt der Managementlehre verwendet man den Begriff „Steuerungsprobleme“. Die hier verfolgte Forschungskonzeption ist damit vom philosophischen Pragmatismus geprägt, wie er in den letzten Jahrzehnten immer stärker die empirischen Sozialwissenschaften geprägt hat.
Philosophischer Pragmatismus als wissenschaftstheoretische Basis
Zum Pragmatismus vgl. als wichtige Ursprungstexte John Dewey, A Common Faith, Based on the Terry Lectures delivered at Yale University, 1859–1952, Reprint New Haven and London 1991. und Charles Sanders Peirce, Vorlesungen über Pragmatismus, Hamburg 1991. Zur Übertragung des Pragmatismus auf die Betriebswirtschaftslehre vgl. Georg Schreyögg, Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre: zwischen Integration und Zerfall, in: Zukunftsperspektiven der Betriebswirtschaftslehre, 75 Jahre Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e. V., hg. von Clemens Börsig und Norbert Herzig, Köln 2007, S. 18.
Auch wenn die praktische Handlungswelt eines Finanzstaatssekretärs z.B. als Forschungsgegenstand natürlich hochkomplex ist (und komplexer ist als die der wissenschaftlichen Aussagensysteme), sollte gute Forschung unseres Erachtens trotzdem versuchen, der praktischen Realität so weit wie möglich ideologiefrei gerecht zu werden.
Öffentliches Management am Schnittpunkt der wissenschaftlichen Disziplinen
Wenn man die reale Managementsituation einer bestimmten Gruppe von öffentlichen Führungskräften – wie z. B. die der Personengruppe der Minister/Staatssekretäre in Finanzministerien – erforschen will, werden zahlreiche wissenschaftliche Fachdisziplinen berührt, so dass eine Einordnung nur schwer möglich ist.
Neben der empirisch fundierten Managementforschung als Teil der Betriebswirtschaftslehre und/oder der Psychologie (Arbeits-, Organisationspsychologie) kommen folgende wissenschaftlichen Disziplinen in Frage, wie sie in der Tabelle – differenziert für die unterschiedlichen Situationen in Deutschland und USA – dargestellt sind:
(entnommen aus Marettek 2013, Wirksames Management von öffentlichen Einrichtungen, S.142).
Bewältigung der vielen wissenschaftlichen Fachdisziplinen
Jede Forschung zum öffentlichen Management ist zwangsläufig in besonderem Maße dadurch geprägt, dass die aktuellen Entwicklungen zahlreicher wissenschaftlicher Fachdisziplinen berührt werden. So müssen die Forschungsergebnisse der Politikwissenschaften aus Sicht des öffentlichen Managements zwangsläufig möglichst umfassend berücksichtigt werden.
Je nach Fragestellung des öffentlichen Managements gilt dies auch für volkswirtschaftliche, demographische und soziologische bzw. psychologische oder erziehungswissenschaftliche Veröffentlichungen. In der Praxis können derartige Anforderungen jeden Wissenschaftler an die Grenze des Möglichen bringen – wenn z. B. auch alle aktuellen Entwicklungen der Politik- und Sozialwissenschaften genauso beachtet werden müssen wie die Erkenntnisfortschritte der Betriebswirtschaftslehre bzw. im Management – was insgesamt schon einen immensen Umfangs der auszuwertenden Literatur ergeben kann.
Was ist Forschung zum öffentlichen Management aus Sicht der Wissenschaft?
Ein praxistauglicher Forschungsansatz für die Managementsituation einer öffentlichen Führungskraft muss zwangsläufig interdisziplinär bzw. disziplinübergreifend ausgerichtet sein – es müssen also die in den wissenschaftlichen Disziplinen bereits vorhandenen politischen, psychologischen, juristischen und ökonomischen Erkenntnisse sachgerecht kombiniert werden. Genauso wie die Ingenieurwissenschaft Erkenntnisse der biologischen, physikalischen und chemischen Grundlagenwissenschaften in vielfältiger Weise kombiniert, benötigen die gesellschaftlichen Probleme eine problemlösungsorientierte Integrationswissenschaft – so das Managementlehrbuch von Steinmann und Schreyögg. Dies ist ein sehr hoher Anspruch, der im Folgenden näher betrachtet
werden soll. Können die verschiedenen Sozial- und Verhaltenswissenschaften auf hohem Niveau stärker integrativ auf die Steuerungsprobleme der öffentlichen Hand angewendet werden?
(Vgl. Horst Steinmann, Georg Schreyögg, Management, Wiesbaden 2005, S. 42, die auch die Begriffe „infradisziplinär“ bzw. „a-disziplinär“ (nach Ulrich) vorschlagen.)
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterscheidet immerhin folgende sozial- und verhaltenswissenschaftliche Fachdisziplinen (Fachkollegien):
109 Erziehungswissenschaft | 109-01 Allgemeine und Historische Pädagogik |
109-02 Allgemeine und fachbezogene Lehr-, Lern- und Qualifikationsforschung | |
109-03 Sozialisations-, Institutions- und Professionsforschung | |
110 Psychologie | 110-01 Allgemeine, Biologische und Mathematische Psychologie |
110-02 Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie | |
110-03 Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie | |
110-04 Differenzielle Psychologie, Klinische Psychologie, Medizinische Psychologie, Methoden | |
111 Sozialwissenschaften | 111-01 Soziologische Theorie |
111-02 Empirische Sozialforschung | |
111-03 Publizistik und Kommunikationswissenschaft | |
111-04 Politikwissenschaft | |
112 Wirtschaftswissenschaften | 112-01 Wirtschaftstheorie |
112-02 Wirtschafts- und Sozialpolitik | |
112-03 Finanzwissenschaften | |
112-04 Betriebswirtschaftslehre | |
112-05 Statistik und Ökonometrie | |
112-06 Wirtschafts- und Sozialgeschichte | |
113 Rechtswissenschaften | 113-01 Rechts- und Staatsphilosophie, Rechtsgeschichte, Verfassungsgeschichte, Rechtstheorie |
113-02 Privatrecht | |
113-03 Öffentliches Recht | |
113-04 Strafrecht, Strafprozessrecht | |
113-05 Kriminologie |
Wenn man die umfassendere Wikipedia-Definition betrachtet, welche Fachrichtungen insgesamt zu den „Sozialwissenschaften“ zählen, ergibt sich folgende Darstellung:
- Anthropologie (Sozial- und Kulturanthropologie)
- Demografie (Bevölkerungswissenschaft)
- Ethnologie (Völkerkunde) und Volkskunde (Europäische Ethnologie)
- Kindheitsforschung (interdisziplinär)
- Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft, Publizistikwissenschaft und (ehedem) Zeitungswissenschaft
- Kunstwissenschaft, Kulturwissenschaft
- Ökotrophologie (Haushalts- und Ernährungswissenschaft)
- Pädagogik (u. a. Schulpädagogik, Erwachsenenbildung, Sozialpädagogik, Sonderpädagogik)
- Politikwissenschaft (Politologie) und früher Staatswissenschaften (interdisziplinär)
- Psychologie (interdisziplinär)
- Bedürfnisforschung, was auch Teil der
- Gesundheitswissenschaften ist.
- Religionswissenschaft
- Rechtswissenschaften (interdisziplinär)
- Soziale Arbeit
- Sozial- bzw. Humangeographie
- Sozialgeschichte (Historische Sozialwissenschaft)
- Sozialmedizin, Salutologie, Pflegewissenschaft, Diakonik (Diakonie- und Caritaswissenschaft)
- Sozialpsychologie
- Sozialphilosophie, Sozialethik
- Soziologie
- Sportwissenschaft
- Sprachwissenschaft (Linguistik)
- Sprechwissenschaft
- Verwaltungswissenschaft
- Wirtschaftswissenschaft (Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre)
(Abgerufen am 04.10.2017 . http://de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=107362038.)
Wissenschaftliche Reihe zum öffentlichen Management
Die von Peter Detemple, Dr. Christian Marettek und pwc herausgegebene Reihe hat den oben formulierten Forschungsansatz in bislang 4 Büchern festgesetzt. Die beiden zuletzt veröffentlichen Bände verdeutlichen das Phänomen der Interdisziplinarität bzw. der erforderlichen disziplinübergreifenden Managementforschung:
- Dr. Nima Sheikhian 2016, Bedarfsgerechtes Haushalts- und Rechnungswesen für Landesverwaltungen in Zeiten der Schuldenbremse, Planungs- und Steuerungsinstrumente für die Entscheidungsträger in den Finanzministerien, Wissenschaftliche Reihe zum öffentlichen Management, Band 4
- Dr. Christian Marettek 2016, Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative, Schwachstellen des deutschen Wissenschaftssystems und mögliche Lösungsansätze, Wissenschaftliche Reihe zum öffentlichen Management, Band 3
Der Band 4 von Nima Schaikhian kann als vorzügliches Beispiel für eine extrem disziplinübergreifende Erforschung der Steuerungsprobleme an der Landesfinanzstaatssekretäre gelten, der auch Teilgebiete der Volkswirtschaftslehre (Demographie, Finanzwissenschaft, Finanzstatistik) integriert.