Reflexionspapier EU-Kommission

Reflexionspapier EU-Kommission

In der am 25.03.2017 unterzeichneten Erklärung von Rom haben sich die führenden Vertreter der Mitgliedstaaten und der EU-Organe darauf verständigt, auf die „Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (…); eine Union, in der die Volkswirtschaften sich annähern” hinzuarbeiten.

Die EU-Kommission hat hierfür am 31.05.2017 ein Reflexionspapier veröffentlicht, in dem mögliche Wege aufgezeigt werden, wie die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) bis 2025 vertieft und komplettiert werden kann. Leitidee ist dabei, dass der Euro als gemeinsame Währung ein Wohlstandsversprechen beinhaltet, dass durch eine komplettierte und gestraffte Währungsunion gewährleistet werden soll. Die zuständigen Kommissare der EU-Kommission Valdis Dombrovskis und Pierre Muscovici schreiben im Vorwort zum Reflexionspapier (S. 3):

„An drei Fronten weist unsere Wirtschafts- und Währungsunion noch Mängel auf.

Erstens ist sie noch nicht hinreichend in der Lage, das aus der Krise resultierende soziale und wirtschaftliche Auseinanderdriften zwischen den Euroländern und innerhalb der Euroländer aufzuhalten und umzukehren.
Zweitens haben diese Zentrifugalkräfte einen hohen politischen Preis. Werden sie nicht in Angriff genommen, dürfte der Rückhalt für den Euro bei den Bürgerinnen und Bürgern abnehmen und anstatt einer gemeinsamen Zukunftsvision eine unterschiedliche Sicht der Probleme entstehen. Zwar ist die WWU nun robuster, aber noch nicht völlig schockresistent.“

Zunächst wird im Reflexionspapier auf die erreichte Preisstabilität verwiesen und über Hintergründe der Euro-Währungskrise 2008-2012 nachgedacht (S. 9):

„Durch den Nexus zwischen Banken und öffentlichen Finanzen fiel es mehreren Mitgliedstaaten und Banken zunehmend schwer, am Markt Kreditgeber zu finden. Damit geriet ihre Fähigkeit, sich selbst zu finanzieren, in Gefahr. Aufgrund einer restriktiveren Kreditvergabe brachen die Investitionen ein. Zwischen 2008 (als die Investitionen allerdings auf einem auf Dauer wahrscheinlich nicht tragfähigen Niveau lagen) und 2013 gingen sie um mehr als 18% zurück. Die Arbeitslosigkeit stieg rapide an. Die Finanzkrise weitete sich zu einer Krise der Realwirtschaft aus mit Folgen für Millionen Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen.“

Als Gründe für eine Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion werden anschließend vier Problemstellungen aufgeführt (S. 12ff.; im folgenden zitieren wir die wichtigsten Kernsätze):

1. Das fortbestehende wirtschaftliche und soziale Gefälle muss angegangen werden (S. 12)

„Jahrelanges Niedrig- oder Nullwachstum hat ein erhebliches wirtschaftliches und soziales Gefälle verursacht und dieses im Laufe der Zeit noch weiter verschärft. In allen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets hat die Krise auch zu einer Fragmentierung des Finanzsektors geführt. Die Qualität der öffentlichen Haushalte und die Steuerung des Euro-Währungsgebiets lassen nach wie vor Schwächen erkennen.

Insbesondere jene Teile des Euroraums, die den wirtschaftlichen Erschütterungen nicht genügend entgegenzusetzen hatten, mussten dafür einen hohen Preis zahlen. Das Pro-Kopf-BIP des Euroraums erreicht erst jetzt wieder das Vorkrisenniveau. Es gibt Anzeichen für eine Verringerung des wirtschaftlichen Gefälles, aber ein kräftiger Trend zu einem erneuten Zusammenwachsen ist noch nicht erkennbar.“

„In einigen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden, Estland und Österreich ist die Arbeitslosigkeit auf ausgesprochen niedrigem Stand. In anderen wiederum – wie Spanien oder Griechenland – ist sie weiterhin unannehmbar hoch. Vielfach ist sie strukturell bedingt, und besonders betroffen sind junge Menschen. Ihre weitreichenden Konsequenzen trafen insbesondere die Länder, die in der Krise die stärksten Anpassungsanstrengungen unternehmen mussten. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg besteht die Gefahr, dass es der heutigen Jugend einmal schlechter gehen wird als ihren Eltern. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Konzept und Funktionsweise der sozialen Marktwirtschaft der EU und insbesondere die WWU in Zweifel gezogen werden.“

2. Verbliebene Gefahrenherde im Finanzsektor müssen beseitigt werden (S. 13)

„In der Krise geriet das Bankensystem des Euroraums in eine Schieflage. Sowohl die Kreditvergabe zwischen den Geldinstituten als auch die Bereitstellung von Krediten für die Realwirtschaft erlebten einen Absturz.

Am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wurde die Darlehensvergabe an KMU in den besonders hart von der Krise getroffenen Staaten. Restriktivere Kreditkonditionen gingen mit einem rückläufigen Kreditvolumen einher. Immer noch hängen die Finanzierungskonditionen der Unternehmen weitgehend von ihrem Standort ab. Verschärft wurde dieses Problem durch den Umstand, dass sich die Unternehmen nahezu ausschließlich über Banken finanzieren und andere Finanzierungsquellen wie Kapitalmärkte kaum eine Rolle spielen.“

3. Die hohen Schuldenstände müssen angegangen und die Fähigkeiten zur kollektiven Stabilisierung gestärkt werden (S. 14)

„Im Durchschnitt legten die Staatsschulden im Euro-Währungsgebiet in nur sieben Jahren um 30 Prozentpunkte von 64 % auf 94 % zu (2007-2014).

Selbst Mitgliedstaaten, die vor der Krise relativ solide Defizit- und Schuldenstandswerte zu verzeichnen hatten, wie Spanien oder Irland, gerieten unter Druck, als Befürchtungen wegen der Kosten aufkamen, die die Probleme im Finanzsektor für die öffentlichen Haushalte mit sich bringen könnten, und die zugrundeliegenden strukturellen Haushaltspositionen sich als schlechter erwiesen, als es die allgemeinen Kennzahlen hatten vermuten lassen.

Daran wurde deutlich, dass die damaligen fiskalpolitischen Regeln der EU nicht ausreichten und auch die Entwicklung der privaten Verschuldung aufmerksam beobachtet werden musste.“

4. Die Steuerung der WWU muss effizienter und transparenter werden (S. 16)

Insgesamt schlägt die EU-Kommission eine differenzierte Road-Map vor, die in folgender Abbildung zusammengefasst wird (S. 21):

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