Politische, verwaltungsbezogene und sachliche Rationalitäten

Wenn man sich praxisnah an die wichtigsten Ziele eines Spitzenpolitikers annähern möchte, dann spielt zusätzlich zu den politischen und verwaltungsbezogenen Rationalitäten im Hintergrund doch das Phänomen des Gemeinwohls (das nur in Grenzen objektiviert werden kann) eine wichtige Rolle. Hierfür wird in der folgenden Abbildung der Begriff der sachlichen Rationalitäten übernommen, der von Martin Florack/ Timo Grunden 2011, Regierungszentralen im Kontext des formalen und informellen Regierens, S.17 vorgeschlagen wurde (Mitglieder der politikwissenschaftlichen „Forschungsgruppe Regieren“). Vgl. Marettek 2013, Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen, S. 49:

Polit Rationalitäten

In der Praxis sind jedoch zusätzlich gerade die individuellen Beziehungsnetzwerke der beteiligten Führungspersönlichkeiten von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Alltagsarbeit.

Außerdem sollten die spezifischen Charakteristika eines Politiker-Lebens in Deutschland in die Betrachtung einbezogen werden.

Rückblickend fasste Reinhard Klimmt (lange Jahre Fraktionsvorsitzender, dann u.a. Ministerpräsident im Saarland) das von den Gremien bestimmte Politikerleben folgendermaßen zusammen:

„1977 wurde ich Vorsitzender der SPD in Saarbrücken.

Damit war das Leben im Prinzip bis heute festgelegt und vollzog sich von da an in einer unendlichen Abfolge von Sitzungen und Konferenzen, bei denen vielfach das Sitzfleisch wichtiger war als der Kopf.

Fraktionssitzungen in Stadt und Land; Vorstandssitzungen im Ortsverein, im Unterbezirk, auf Landes- und später auf Bundesebene; Arbeitskreise, Ausschüsse, Plenarsitzungen, Parteitage, Konferenzen, Einzelgespräche, Kungeleien und ein heißes Ohr vom Telefonieren; Pressekonferenzen, Pressegespräche und Interviews, Reden, Grußworte und Präsenz bei Gewerkschaftstagen, Verbandskonferenzen, Vereins-, Firmen- und Parteijubiläen;

Frühlings-, Sommer und Herbstfeste, Alt- und Neustadtsfeste, Dorffeste, Sportfeste, Wein- und Viezfeste; Karnevalsveranstaltungen, Heringsessen, Siegerehrungen bei Volkswanderungen, Freundschaftssingen, Oldtimer-Rallyes, Jungend-, Aktiven- und Altherrenturniere in allen denkbaren Sportarten; Schach-, Skat- und Bouleturniere;

Demonstrationen, Kundgebungen und Solidaritätskonzerte; Betriebsbesichtigungen, Schulvisitationen, Instituts- und Institutionenbesuche; Podiumsdiskussionen, Foren, Meetings, Konvente, Messen und Ausstellungen; Beiräte, Kommissionen, Kuratorien …

Und dann, Substanz und Elixier der Demokratie, immer wieder Wahlkämpfe mit Kundgebungen, Straßenständen, Hausbesuchen, Verteilaktionen, Diskussionen und vorher all der Aufwand, um Programm und Personalangebot dafür zu entwickeln.“

Klimmt 2003, Auf dieser Grenze lebe ich, Die sieben Kapitel der Zuneigung, Blieskastel 2003 S. 25f. Vgl. Marettek 2013, Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen S. 67.

Praktikerfazit

Neben dem eigenen „Regierungsprogramm“, das der Spitzenpolitiker/die Spitzenpolitikerin im Rahmen des Wahlkampfes bzw. öffentlicher Auftritte sich selbst gegeben hat (=woran er/sie sich messen lassen will) und der im Hintergrund existierenden sachlichen Rationalitäten (Gemeinwohl), sind es meist drei verschiedene politisch relevante Zielsysteme, mit denen die Beispiel-Oberbürgermeisterin professionell umgehen muss:

  • Zielsystem „Wille der parlamentarischen Mehrheit“
  • Zielsystem „Wille der Partei“
  • Zielsystem „Wille der Verwaltungsführung“ (z.B. Mehrheitsmeinung im Dezernentenkreis/Stadtvorstand).